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Gastkommentar, Wiener Zeitung. 29. August 2013. S. 2.
 
 
Auf dem Balkan nichts Neues!
Für den Erfolg der spätestens 2014 beginnenden EU-Beitrittsverhandlungen ist eine stabile Regierung des Kandidatenlandes Serbien notwendig.


 
Die jüngsten Meinungsumfragen in Serbien haben den starken Mann in der serbischen Regierung, Vizepremier Aleksandar Vučić von der nationalkonservativen Serbischen Fortschrittspartei (SNS) mutig, wenn nicht gar übermütig gemacht. Mit mehr als 40 Prozent (plus 16 Prozentpunkte mehr als bei der Parlamentswahl 2012) für die SNS, nur rund 12 statt 22 Prozent für die Demokratische Partei des Ex-Präsidenten Boris Tadić und nicht einmal 11 Prozent für die Milošević-Nachfolge-Sozialisten, die in der Regierungskoalition mit Ivica Dačić (noch) den Premierminister stellen dürfen, im Rücken, sah sich Vučić stark genug, - unterstützt von seinem Parteifreund und Staatspräsidenten Tomislav Nikolić - die Sozialisten zu schwächen und den von Anfang an ungeliebten und unbequemen Regierungspartner, den Wirtschafts- und Finanzminister Mlađan Dinkić mit seiner kleinen URS (Vereinigte Regionen Serbiens) aus der Regierung zu drängen. Dinkić wollte offenbar nicht Macht abgeben und übersah, dass er sich damit selbst aus der Regierung katapultierte. Ein typisches serbisches Intrigenspiel – ein hitziger Wortwechsel genügt -, das Dinkić, der seit einem Jahrzehnt allen serbischen Regierungen angehörte, verlor. Dass damit auch die der einzig wirklich europafreundlichen URS angehörende Vize-Premierministerin für Europäische Integration, Suzana Grubješić, die ihre Aufgabe sehr gut erfüllte und in Brüssel Ansehen genoss, aus der Regierung flog, ist für Serbiens Verhandlungen über einen EU-Beitritt ein Aderlass. Bei rund 30 Prozent Arbeitslosigkeit, grassierender Korruption, Absturz aller Wirtschaftsaktivitäten und Investitionen könnte Dinkić in der Opposition sogar leichter seine Ausgangsposition für die nächsten Parlamentswahlen verbessern.
 
Nachdem sich Serbien und Kosovo am 19. April dieses Jahres auf ein Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen geeinigt haben, hat Vučić auch an dieser Front den Rücken weitgehend frei und kann die Macht für sich und seine Partei ausbauen. Die Regierung hat nun nur mehr eine knappe Mehrheit im Parlament, wird aber von einigen „gewonnenen“ Abgeordneten der Opposition unterstützt. Wer weiß, wie leicht in Serbien kleinste Nebensächlichkeiten politische Partnerschaften zerstören können, weiß auch, wie schnell sich etwas ändern kann. Für den raschen Fortgang der spätestens im Jänner 2014 beginnenden Beitrittsverhandlungen ist eine stabile Regierung notwendig. Weitere angedeutete Regierungsumbildungen zählen nicht gerade zu jenen vertrauensbildenden Maßnahmen, die Serbien in der EU und auch bei Investoren dringend braucht. Das Anheuern des österreichischen Ex-Kanzlers Alfred Gusenbauer als Berater und die Übertragung des schwierigen Finanzministeriums an den 29-jährigen Yale-Absolventen Lazar Krstić gehören eher in die Kategorie der symbolischen Politik. Auch das neue Anlehnen an China trägt nicht gerade dazu bei, Serbien aus der Ecke Europas herauszuholen. Nur das konkrete Umsetzen von Reformen in Sinne des Fortschrittsberichts der EU und das mühsame Bilden von Partnerschaften in ganz Europa können den EU-Beitrittsprozess Serbiens beschleunigen.

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