Home


Es gibt gute Vorbilder zur Lösung der Serbien-Kosovo-Frage
In: Wiener Zeitung. 9. 4. 2013. S. 2.
 
 

Es gibt gute Vorbilder zur Lösung der Serbien-Kosovo-Frage.


In den laufenden Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo hat Serbien nur zu verlieren und Kosovo nur zu gewinnen. Dabei ist die derzeitige, eher nationalistische Regierung Serbiens den kosovarischen Verhandlungspartnern viel weiter entgegengekommen als jede bisherige serbische Regierung. Der serbische Chefverhandler Ivica Dacic hat sogar schon davon gesprochen, dass die Zugehörigkeit des Kosovo zu Serbien nur mehr ein „Märchen“ sei und der Mehrheit der serbischen Bevölkerung diese Frage kein wirklich großes Anliegen mehr sei. Die serbische Vizepremierministerin für europäische Integration, Suzana Grubjesic, eine überzeugte Anhängerin einer Lösung mit dem Kosovo, zeigte sich enttäuscht darüber, dass das Angebot an Serbien praktisch null war. Der einflussreiche serbische Finanzminister Mladjan Dinkic sprach sich für die Annahme des Kosovo-Planes aus: Serbien solle dieses Kapitel der Geschichte schließen und sich der Zukunft zuwenden. Der Druck der EU auf eine Lösung und die Schuldzuweisung für das bisherige Scheitern ist wieder einmal Richtung Serbien viel größer als Richtung Kosovo. Man misst neuerlich mit zweierlei Maß. Natürlich winkt man Serbien bei einem positiven Abschluss mit dem Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen, aber auch der Kosovo würde mit einem beträchtlichen Schritt näher zur EU belohnt werden, obwohl er von den europäischen Standards meilenweit entfernt ist. Der Kosovo will alles haben, Serbien soll alles geben. Das kann sich nicht ausgehen. Die kosovarische Regierung will den vollen Zugriff auf die mehrheitlich von Serben bewohnten Gebiete. Minderheitenforderungen werden kaum akzeptiert. Überall anders würde die EU für die Rechte der Minderheit – in diesem Fall die serbische – kämpfen. Hier aber dient die englische EU-Außenbeauftragte wieder einmal den Interessen der USA, die im Kosovo über die riesige, strategisch wichtige Militärbasis Camp Bondsteel verfügt, weshalb der Kosovo sich der Unterstützung durch die Amerikaner sicher weiss. Nicht von ungefähr ziert ein riesiges Porträt Bill Clintons die Hauptstraße von Pristina.

Gute Beispiele, wie es funktionieren  könnte, gibt es: Etwa die 1800 Quadratkilometer große und vom Turkvolk der Gagausen bewohnte autonome territoriale Region Gagausien im Süden der Republik Moldawien. Es besteht aus dem Kerngebiet um die Hauptstadt Comrat sowie mehreren „Inseln“ und Exklaven im Süden des Landes. So wie das serbische Kerngebiet im Norden und die serbischen Exklaven im Süden des Kosovo.

Nach Ausrufung einer Gagausischen Sozialistischen Republik kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, die im Dezember 1994 beendet werden konnten, indem die Moldawische Regierung den friedlichen Bestrebungen einer Territorialautonomie der Gagausen innerhalb Moldawiens zustimmte.

Die Autonomie Gagausiens ist in der Moldauischen Verfassung fest verankert und räumt das Recht auf eine eigene Verwaltung und ein eigenständiges Bildungssystem ein und anerkennt die gaugasische Sprache als Amtssprache. Die Legislative ist das Parlament, regiert wird die Region von einem für vier Jahre direkt gewählten Premierminister. Das System funktioniert. Ein anderes Beispiel, das für die serbischen Gebiete im Kosovo herangezogen werden könnte, ist die Autonomie des deutschsprachigen Südtirols in Italien und die Rolle Österreichs als Schutzmacht über die Einhaltung des Autonomiestatuts. Eine ähnliche Rolle könnte Belgrad übernehmen.

Bei einigem guten Willen und einer gerechten Behandlung beider Verhandlungspartner durch die EU könnte es bald eine Lösung geben. Solange aber politisch, wirtschaftlich und militärisch einseitige Interessen vorherrschen, ist wohl noch lange kein Ende in Sicht.

Home